26 Mal Abschied nehmen, ist man das nicht einmal gewohnt?

Sie und ich fuehlen uns bei jedem Gespraech staendig missverstanden
Nina de la Parra

Ich trinke eine Borgoe-Cola mit meinem Vater bei Zanderij. Eigentlich heißt er heute JA Pengel International Airport Suriname, aber für mich – stur Kind der hier erstmals in den 1990er Jahren auftrat als Unbegleiteter Minderjähriger aus dem Flugzeug gestiegen – es bleibt Zanderij.

Von der sandigen Ebene eines offenen Waldstücks fliege ich bald zurück in die Niederlande, ein Land, in dem alles schnell geht. Aber zuerst das übliche Abschiedsritual mit Saté, Pommes und einer Borgoe-Cola auf einem der Tische mit Bank, begleitet von einem hungrigen Straßenhund und laut sprechenden Männern in weißen Unterhemden am Nebentisch.

Dieses Ritual gibt es seit 26 Jahren. Dann zog mein Vater zurück in sein Heimatland und ich lebte eine Zeit lang bei ihm. Seitdem komme ich jedes Jahr nach Suriname. Und so musste ich jedes Jahr Abschied nehmen.

„Es gibt eine Zeit zu kommen und eine Zeit zu gehen“, sagt er zum 26. Mal. Ich trinke ausgiebig aus dem Borgoe und frage mich, warum sich das Gefühl nicht gewöhnt. 26 Mal Abschied nehmen, ist man das nicht einmal gewohnt? Werde ich jemals hier auf dieser Bank sitzen und nicht das Gefühl haben, dass ein Teil von mir aus meinem Körper gerissen wird? Jedes Mal lasse ich in Suriname ein Stück von mir zurück.

Und diesmal sind es nicht nur ein Vater, eine Familie, Freunde, Theaterkollegen und ein Ehemann. Es ist der Teil in mir, der kaum wahrnehmbar ist, wenn ich zurück in den Niederlanden bin. Als würde mir eine nordwesteuropäische Isolierhaube übergestülpt, sobald ich ins Flugzeug steige und später in den klimatisierten Korridoren von Schiphol lande, wieder rein Bakrakondre, dem Land, in dem alles „funktioniert“, auf Schiphol spülen sogar die Toiletten automatisch. Und da schaut mich immer eine Frau aus dem Spiegel an, eine sehr holländische Frau. Es ist wie eine Verwandlung zu meiner holländischen Seite, die bereits durch die Bewegung von einem Land zum anderen zu spüren ist, und diese Bewegung beginnt hier, auf dieser Bank, mit etwas gutem surinamischen Rum.

Also trinke ich den letzten Schluck Borgoe, denn was soll ich sonst tun? Es brennt in meiner Kehle.

Mein Vater bringt mich zum Eingang. Wir umarmen uns. Ich beiße meine Tränen weg. Ich stehe in der Schlange hinter einem Zaun, der mit einer schwarzen Plane bedeckt ist. Zuerst sehe ich den roten chinesischen Regenschirm meines Vaters zwischen Mauer und Zaun gucken, dann sein verschmitztes Köpfchen mit der dunkelblauen Mütze. Wir schicken uns Luftküsse. Dann ist er weg.

Nina de la Parra lebt und arbeitet diesen Sommer in Suriname.



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